Etwas Chorgeschichte und gesellschaftlicher Hintergrund
In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts war ein merkliches Erstarken des Männerchorwesens im spätfeudalistischen, frühbürgerlichen Deutschland zu beobachten. Die Tyrannei der napoleonischen Unterdrückung (in Burgau und Winzerla waren vor und während der Schlacht bei Jena-Auerstedt um 1806 Truppen einquartiert, deren Versorgung durch die Einwohner abgesichert werden mußte) war noch nicht überstanden, als sich in Berlin (Zeltersche Liedertafel 1808) und besonders im mitteldeutschen Raum durch Gründung entsprechender Vereinigungen die Bevölkerung in der Gesangsbewegung verband. In der Hoffnung auf entscheidende gesellschaftliche Umwälzungen, auf Ablösung der deutschen Kleinstaaterei machte sich das Freiheitsstreben der unteren Bevölkerungsschichten (hauptsächlich nach den Freiheitskriegen von 1813/1814) und das Erstarken des aufstrebenden Bürgertums deutlich bemerkbar.
Vor diesem gesellschaftlichem Hintergrund entstand auf Betreiben C.H.Heckers in Burgau-Winzerla 1810 ein Männerchor, der sich in Ausmaß, Zielstellung und musikalischem Anspruch den damaligen dörflichen Dimensionen fügte.
Während die großen Gesangsvereine im nicht fernen Jena später bis zu 200 Mitglieder zählten (z.B. der "Jenaer Männergesangverein" als bürgerlich - mittelständischer Verein) und unter professioneller (meist durch die Universität gestützter) Chorleitung standen, um klassische Chorwerke der Weltkultur konzertreif aufzuführen, hat die Mitgliederzahl unseres Chores weitaus bescheidenere Höhen erreicht. Sowohl das Liedgut als auch die Leitung des Chores hatten immer Bezug zur ländlich-arbeitsamen Umgebung der beiden benachbarten Orte Burgau und Winzerla. Daraus läßt sich sicher das über viele Jahrzehnte hinweg andauernde Zusammengehörigkeitsgefühl und die Bodenständigkeit der Chormitglieder erklären.
Deswegen ist es auch vollkommen erklärlich, dass sich trotz der erwiesenen Existenz des Chores von Burgau-Winzerla in den veröffentlichten Schriften der Jenaer Gesangvereine kaum Hinweise über den Gesang, wie er hier dörflich - traditionell gepflegt wurde, auffinden lassen.
Eine Ausnahme scheint diesbezüglich das Wirken des Burgauer Lehrers Oskar Gutheil (als Leiter des 1898 vom eigentlichen Chor abgetrennten Chor-Teils Burgauer Sangesbrüder) zu sein. Gutheil - mit Beginn der Schultrennung als Hilfslehrer in Burgau eingesetzt - war anfänglich Chormitglied und, als Solist hochmusikalisch, einbrillanter Instrumentalist. Er muß den Burgauer Teil-Chor mit Beginn des 20.Jahrhunders bis in die 20er Jahre hinein zu vergleichsweise ansehnlichen Erfolgen geführt haben, denn seine Arbeit erfährt anerkennende Worte in dem Buch "Hundert Jahre Jenaer Männergesangverein" (1928) des Jenaer Musikchronisten A.Beyer.
Gutheil schied offenbar im Guten von den"Winzerlaern", denn er ist seitdem zum Ehrenmitglied des verbleibenden (von H.Schmidt geleiteten) Chores ernannt worden.
Wenn auch der Winzerlaer Chor selbst in der lokalen Musik-Literatur wenig Erwähnung findet, so gibt es doch eine Sache, die wiederholt im Zusammenhang mit Winzerla von musikgeschichtlichen Interesse ist: die herrliche Trießnitz!
Sie war immer und immer wieder Schauplatz von Musik, Tanz und Geselligkeit. Hier heraus wanderten Jenaer Studenten, hier konnte man Aussicht auf die Stadt und Fuchsturm nehmen. So wird z.B. die Teilnahme an einem "Waldfest in der Trießnitz" vom Jenaer Männergesangverein (aufgetretene Sängerzahl: 140!) für den 14.06.1925 bestätigt.
Andere Hinweise sprechen davon, dass hier Felix Mendelssohn-Bartholdys
"Wer hat Dich, Du schöner Wald,
aufgebaut so hoch da droben?"
zum ersten Male aufgeführt wurde.
Dem Männerchor Winzerla von 1810 e.V. und seinen heutigen Mitgliedern bedeuten diese Tatsachen sehr viel.
Trägt doch ihre Kenntnis dazu bei, dass auch in unseren Tagen noch die Freude am Lied und die gemeinsame Pflege des Volksgesanges immer wieder ein schönes, ermutigendes Erlebnis wird.